Nadine Drexler

27. Sept. 2023

Die richtige Streitkultur in Partnerschaften

... fundamentale Streit-Tipps, damit eine Partnerschaft langfristig gelingt

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Einer der fundamentalsten Punkte, damit eine Partnerschaft langfristig gelingt, ist eine gesunde Streitkultur. Doch gerade bei zwei sehr selbstbewussten Persönlichkeiten kann dies eine ganz besonders große Herausforderung sein. Warum? Na weil selbstsichere, reife Menschen nicht einfach "kleinbeigeben" und sich dem anderen fügen (was gut ist), sondern dem anderen selbstbewusst und souverän Grenzen aufzeigen (was noch besser ist). Was sich verzwickt anhört, birgt in Wahrheit enorm großes Potenzial für die Partnerschaft und die gemeinsame Zukunft, sofern Bewusstsein über diese Thematik Einkehr findet und das neuerlangte Wissen aktiv im Alltag umgesetzt wird. Zwei reife Persönlichkeiten müssen daher neben starken Grenzen auch die Fähigkeit besitzen, angemessen, respektvoll und zielführend zu streiten (Konflikte zu lösen), damit eine Partnerschaft langfristig gelingen und in die Tiefe wachsen kann. Wie also kann im Falle eines Streits ein angemessener Kompromiss zwischen diesen beiden Fähigkeiten gefunden werden? Das schauen wir uns heute ganz genau an. Let's go!

Gesunde Streitkultur - was soll das überhaupt sein?

Mit gesunder Streitkultur meine ich nichts anderes als dass ein Paar es schafft, auf dienliche Art und Weise Konflikte zu lösen. Dabei gibt es vier fundamentale Dinge, die Paare in einer gesunden Partnerschaft hinsichtlich ihrer Kommunikation anders machen:

  1. Sie sprechen Dinge, die sie stören, pragmatisch und zielorientiert an, ohne den Konflikt zu meiden

  2. Sie greifen den anderen nicht in seinen Charakterzügen an, stellen ihn bloß oder wiegen bestimmtes Fehlverhalten gegen anderes auf

  3. Sie respektieren Uneinigkeit in der Konversation anstatt diese als Gefahr oder Angriff zu sehen

  4. Sie wissen, wann es Zeit ist, loszulassen

Lass uns im Detail betrachten, wie eine dienliche Streitkultur in gesunden Partnerschaften ganz konkret aussieht:

Kommunikation bei Konflikten

1. Sie sprechen Dinge, die sie stören, pragmatisch und zielorientiert an, ohne den Konflikt zu meiden

Es wird nichts unter den Teppich gekehrt, so getan als sei nichts, drum herum geschwafelt, herumgeeiert oder (anderes Extrem) ein Drama geschoben: reife Partner sprechen an, was sie stört. Sie wählen bewusst einen Zeitpunkt, der für eine Konfliktlösung förderlich ist, sprich: sie sind weder hochemotional noch überrumpeln sie den anderen, während er mit den Gedanken ganz woanders ist (zum Beispiel in einem wichtigen Meeting bei der Arbeit).

Die Kommunikation kann je nach Situation folgendermaßen aussehen:

Haushaltsaufgaben: "Ich habe bemerkt, dass wir in letzter Zeit Schwierigkeiten haben, die Aufgaben im Haushalt aufzuteilen, und das belastet mich. Können wir darüber sprechen, sodass wir hier gemeinsam eine Lösung finden?"

Kommunikation: "Es gibt in letzter Zeit immer mehr Situationen, in denen ich mich missverstanden fühle, und ich weiß, dass unsere Kommunikation viel besser sein kann. Können wir darüber sprechen, wie wir unsere Gespräche so gestalten können, dass wir uns beide vom anderen verstanden fühlen?"

Intimität: "Ich merke, dass unsere Intimität in letzter Zeit abgenommen hat, und das macht mir Sorgen. Fühl dich deswegen nicht unter Druck gesetzt, so ist das von mir nicht gemeint, mir ist einfach nur wichtig, dass wir uns beide wohl und erfüllt in unserer Partnerschaft fühlen. Wie siehst du das, ist dir das auch schon aufgefallen und wie geht es dir damit?"

Finanzen: "Ich merke in letzter Zeit, dass mich unsere finanzielle Situation enorm stresst. Können wir gemeinsam einen Budgetplan erstellen, um unsere finanziellen Ziele zu erreichen und die Sorgen zu minimieren?"

Du musst nicht (immer) sofort mit einer Lösung kommen und ihm diese überstülpen, sondern kannst deine Bedenken und Gefühle pragmatisch aussprechen, mit dem klaren Ziel, gemeinsam Lösungen zu finden, um die Situation zu verbessern. Vielleicht hat er ja auch hammermäßige Ideen für eine mögliche Lösung ;-) (Stichwort: männliche Energie). Wenn du eine Idee oder einen Wunsch zur Verbesserung hast, kannst du diese natürlich mit einfließen lassen. Mit dieser offenen Kommunikation ist es möglich, den weiteren Verlauf des Gesprächs als Team zu gestalten. Wichtig ist, dass der andere weder angegriffen noch bloßgestellt wird - und das kannst du (auch bei herausfordernden Themen!) mit der richtigen Wortwahl, der richtigen Stimmlage und dem richtigen Zeitpunkt vermeiden.

2. Sie greifen den anderen nicht in seinen Charakterzügen an, stellen ihn bloß oder wiegen bestimmtes Fehlverhalten gegen anderes auf

Um besser greifen zu können, was das bedeutet, schauen wir uns zu erst einmal an, was Angriff, Bloßstellen und Fehlverhalten aufwiegen bedeutet (die nicht-dienliche Variante also):

- Angriff auf Charakterzüge

"Du bist echt viel zu ehrgeizig, kein Wunder, dass nie Zeit für uns bleibt! So wird das nichts mit uns, dann können wir es auch gleich bleiben lassen."

"Du bist immer so faul. Du machst nie was im Haushalt, und ich muss alles alleine erledigen."

"Du bist so kontrollsüchtig. Du lässt mir überhaupt keinen Freiraum und mischst dich ständig in mein Leben ein."

"Du bist so selbstsüchtig und gleichgültig gegenüber meinen Gefühlen. Du denkst nur an dich selbst und kümmerst dich nicht um meine Bedürfnisse."

- Bloßstellen des Partners

"Du kannst einfach nichts richtig machen, oder? Immer wieder machst du die gleichen dummen Fehler."

"Du bist so peinlich, wenn du mit anderen Menschen sprichst. Die denken bestimmt, dass du total dumm bist."

"Es ist wirklich erstaunlich, wie du es schaffst, ständig alles zu ruinieren. Ich frage mich manchmal, warum ich überhaupt mit dir zusammen bin."

"Dass du nicht mal auf dich selbst aufpassen kannst... Unglaublich wie du dich in der Öffentlichkeit benimmst."

"Du bist so schwer von Begriff, du verstehst nicht mal die einfachsten Dinge..."

"Niemand mag dich wirklich. Du hast keine echten Freunde, weil du so unerträglich bist."

- Fehlverhalten aufwiegen

"Ja, ich habe einen Fehler gemacht, aber du bist viel schlimmer. Dein Verhalten ist auch nicht OK."

"Du redest immer von meinen Fehlern, aber du ignorierst völlig, was du alles falsch machst. Du bist genauso schuld."

"Ich kann nicht glauben, dass du mich wegen dieser Kleinigkeit so kritisierst, während du so viele größere Fehler machst. Du solltest dich wirklich schämen."

Damit wird das eigene Fehlverhalten abgeschwächt bzw. davon abgelenkt, anstatt den Kritikpunkt des Partners anzunehmen und in die Selbstreflektion zu gehen. Dieses Vorgehen ist nicht dienlich, um einen Konflikt zielführend zu lösen.

Stattdessen sprechen Partner in einer gesunden Partnerschaft so miteinander, wenn sie etwas stört:

"Ich fühle mich manchmal unwohl, wenn wir in der Öffentlichkeit sind. Können wir darüber sprechen, wie wir uns beide besser fühlen können, wenn wir zusammen unterwegs sind?"

"Ich habe manchmal Schwierigkeiten, deine Perspektive zu verstehen. Können wir versuchen, unsere Standpunkte besser zu erklären und aufeinander einzugehen, damit wir uns in Zukunft besser verstehen können?"

"Es ist mir wichtig, dass du gute soziale Beziehungen hast. Gibt es Dinge, die dich in deinen Freundschaften oder in unserer Beziehung stören?"

3. Sie respektieren Uneinigkeiten in der Konversation anstatt diese als Gefahr oder Angriff zu sehen

In einer gesunden Partnerschaft werden Konflikte und Meinungsverschiedenheiten als normale und akzeptable Bestandteile der Kommunikation betrachtet. Anstatt Uneinigkeit als Bedrohung oder persönlichen Angriff zu interpretieren, betrachten beide Partner sie als Gelegenheit zur Diskussion, zur Lösungsfindung und zum Wachstum in der Beziehung.

4. Sie wissen, wann es Zeit ist, loszulassen

Die Fähigkeit zu besitzen, einen Streit oder eine Auseinandersetzung zu beenden, bevor sie eskaliert und zu einem ungesunden oder destruktiven Konflikt führt, ist fundamental. Dieses Verhalten zeigt Reife in der Konfliktbewältigung und ist ein Zeichen für emotionale Intelligenz und Sensibilität für die eigenen Bedürfnisse und die des Partners. Das Ganze kann so aussehen:

Erkennen von Eskalation: Personen, die wissen, wann es Zeit ist, loszulassen, erkennen die Anzeichen einer möglichen Eskalation. Sie bemerken, wenn der Streit hitziger wird oder wenn sie auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.

Priorisierung der Beziehung: Statt weiter zu streiten, priorisieren sie die Gesundheit ihrer Beziehung und erkennen, dass es wichtiger ist, Konflikte auf eine konstruktive Weise zu lösen, anstatt sich in endlosen, sinnlosen Streitereien zu verlieren.

Fähigkeit zur Selbstregulierung: Diese Personen sind in der Lage, ihre eigenen Emotionen zu regulieren und sich selbst zu beruhigen, um zu verhindern, dass der Streit außer Kontrolle gerät.

Kommunikation über das Beenden des Streits: Sie können das Gespräch auf eine respektvolle Weise beenden, indem sie zum Ausdruck bringen, dass sie gerade nicht weiter diskutieren möchten, aber bereit sind, zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukommen, um das Thema erneut anzusprechen, wenn beide Partner ruhiger sind.

Das Feingefühl dafür, wann es Zeit ist, loszulassen, kann dazu beitragen, dass Konflikte in einer Partnerschaft auf gesunde Weise bewältigt werden, ohne dass sie die Beziehung nachhaltig belasten oder Schaden anrichten. Es fördert die Fähigkeit zur Kompromissfindung und zur Aufrechterhaltung einer respektvollen Kommunikation, selbst in schwierigen Momenten. Manchmal werden Konflikte damit also zu einem späteren Zeitpunkt gelöst, wenn nötig - oder lösen sich nach Abklingen überwältigender Emotionen sogar von ganz allein.

Wiederherstellung der Verbindung während eines Konflikts

Konflikte sind Teil einer jeden Partnerschaft. Wir werden früher oder später auf Uneinigkeiten, Enttäuschungen und verletzte Gefühle stoßen, wenn wir eine Partnerschaft mit jemandem eingehen - dieser Realität kann keiner entfliehen. Deswegen ist es völlig natürlich, sich von Zeit zu Zeit frustriert, wütend oder enttäuscht zu fühlen, was ich auch bereits in diesem Text beschrieben habe: 6 Faktoren für langfristiges Partnerschaftsglück. In einer gesunden Partnerschaft sind sich beide diesem Sachverhalt absolut bewusst und finden konstruktive Wege, Konflikte zu lösen, statt diese auf destruktive Weise einfach umgehen zu wollen. Eine Sache ist dabei unausweichlich: Die Wiederherstellung der Verbindung. Die Wiederherstellung ist die Fähigkeit, nach einem Streit (oder auch bereits währenddessen) miteinander verbunden zu bleiben und zum anderen zurückzukehren. Im obigen ersten Schritt haben wir uns angeschaut, wie Partner in einer gesunden Partnerschaft ansprechen, was sie stört, nun schauen wir uns das Ganze mal aus der Perspektive der Wiederherstellung an (mit dem anderen verbunden zu bleiben). Hierbei gibt es fünf elementare Punkte:

  1. Probleme ansprechen: Eine erschreckend hohe Zahl an Paaren vermeidet es gänzlich, Dinge anzusprechen, sei es aufgrund von Verlustangst, einem starken Bedürfnis nach Harmonie aufgrund eigener Unsicherheit oder aufgrund fehlender Kommunikationskompetenzen. Sie fahren fort, als sei nie etwas gewesen, doch das ist fatal. Dinge, die unter den Teppich gekehrt werden, sind trotzdem noch da und die negativen Gefühle, die damit einhergehen, werden größer. Dabei wachsen wir nicht enger zusammen, sondern entfernen uns voneinander. Indem wir Dinge ansprechen, signalisieren wir dem Partner: "Diese Angelegenheit, unsere Partnerschaft und du sind mir wichtig und ich möchte dieses Problem mit dir gemeinsam klären."

  2. Dem anderen die Liebe versichern: Nach einem Konflikt ist es wichtig, dass man dem anderen die Liebe und Wertschätzung bestätigt, die man für ihn empfindet. Ihm zu sagen, dass wir froh sind, dass er in unserem Leben ist und wir ihn für das wertschätzen, was er tut, ist fundamental. Dabei kannst du auch noch einmal bestätigen, dass du es zu schätzen weißt, Konflikte auf diese Art mit ihm klären zu können, dass auch das dich beeindruckt und dir zeigt, dass ihr gemeinsam alles schaffen könnt. Diese wertschätzenden Worte stärken die Verbindung und geben das Gefühl von: Wir sind ein Team, auch bei Konflikten. Wir arbeiten zusammen und nicht gegeneinander. Auch das ist ein großer Liebesbeweis.

  3. Wertschätzung durch Empathie: Wir können unterschiedliche Perspektiven haben und unseren Partner trotzdem wertschätzen. "Ich kann verstehen, warum du dich so gefühlt hast" oder "Ich erkenne, warum du das so gesehen hast" zeigt, dass wir die Perspektive des anderen wahrnehmen, auch wenn wir ihr nicht zustimmen.

  4. Wissen, wann es Zeit ist, loszulassen: Manchmal ist man sich einfach nicht einig und das ist OK. Ein chronisches Wiederkäuern des immer gleichen Konflikts kann zu starker Dysregulierung führen und Partner voneinander entfernen statt sie näher zusammenzubringen. Zu wissen, wann es Zeit ist, loszulassen, ist fundamental. Lege deinen Standpunkt nahe, aber lass die Dinge auch irgendwann mal gut sein. Humor kann hierbei helfen. Schau für diese Thematik zusätzlich auch nochmal in diesen Text: Souverän und selbstbewusst klare (direkte) Grenzen setzen

  5. Vorab Kommunizieren von Bedürfnissen innerhalb eines Konflikts: Du brauchst vielleicht gerade Raum und Zeit für dich, um deine starken Emotionen zu regulieren, dein Partner möchte in dem Moment aber Verbundenheit mit dir spüren - ein scheinbar unlösbares Dilemma. Aber auch hiefür gibt es eine Lösung: Kommuniziere deine Bedürfnisse vorab, sodass dein Partner bescheid weiß, z.B. so: "Ich brauche eben 20 Minuten für mich und dann können wir sprechen, ok?"

Fazit

Ich hoffe, dass dir dieser heutige Text dabei hilft, eine gesunde Streitkultur in deiner Partnerschaft zu kultivieren. Denn eins ist sicher: Paare, die richtig streiten können und es schaffen, trotzdem miteinander verbunden zu bleiben, führen eine erfüllte Partnerschaft voller Respekt und Liebe füreinander. Klar, dass hier Potenzial für einen langfristigen, gemeinsamen Weg liegt. Eine gesunde Partnerschaft ist also niemals frei von Konflikten und Streit, sondern schafft es, diese auf gesunde, zielführende und respektvolle Art und Weise zu meistern. Ich wünsche dir, dass du die heutige Thematik mit deinem Partner umsetzen kannst und einen Konflikt nicht als Ende eurer Beziehung, sondern als Möglichkeit für Wachstum wahrnimmst.

Deine psychologische Beraterin

Nadine Drexler


Beratung in Mann-Frau-Beziehungen:

Nadine Drexler

Bildungswissenschaftlerin & Psychologische Beraterin

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